Die Geschichte der Sebnitzer Bergfreunde

 

Am 17. März 1928 wurde schon einmal ein „Kletter-Klub Bergfreunde“ beim Vorstand des Vfbv, Ortsgruppe Sebnitz angemeldet. Er hatte allerdings nicht lange Bestand. Nach dem 2. Weltkrieg, in dem der Klettersport zum erliegen gekommen war, fanden sich alte und neue Kletterfreunde zusammen und gründeten, z. T. auf früheren Wurzeln, wieder einzelne Kletterklubs. 1955 fanden sich die Kletterfreunde Kurt Micklisch, Gerhard Missbach, Rudi Strohbach, Rudi Hohlfeld, Reiner Ahlswede, Erich Riffer, Erhard Riffer, Alfred Riffer, Alfred Lorenz und Klaus Pfenniger (Pfeng), etwas später dann noch Hugo Knobloch, ebenfalls zu einem eigenen Klub zusammen und nannten sich schlicht „ KC Bergfreunde Sebnitz“. Für jene Zeit war es eine Besonderheit, dass auch zwei Frauen Mitglied waren: Irmgard Hohlfeld (Feldwebel) und Herta Riffer. Im Club ging es recht ruhig zu. Schwung kam in den Verein, als in den Jahren 1956 bis 1960, junge und tatendurstige Gipfelstürmer nachrückten: Claus Hierlmeier (Keule), Konrad Riffer, Rainer Adam, Peter Zimmer, Günter Müller, Günter Kluge, Lothar Klimmer, Ernst Vater (1958-59), Dieter Klein, Peter Knoden (Turm) und etwas später Walter Kirschner. Es wurde nun geklettert was das Zeug hielt. Das war mitunter wörtlich zu nehmen, denn die verfügbaren Kletterschuhe, Seile, Schlingen und Eisenkarabiner waren gegenüber heute, aus einer anderen Welt. 1959 setzte Klaus Pfenniger den Clubkameraden einen Floh ins Ohr: „Wäre das nicht toll, wenn wir eine eigene Hütte hätten“. Aus dem „Floh“ wurde ganz schnell ein Wurm, der festsaß. In Lichtenhain stieß man auf den Bauern Thomas, der dem Club ein Stückchen Land zwar nicht verkaufen, aber verpachten wollte. Eine herrliche Stelle am Rande der „Folgen“, mit Blick auf die Schrammsteine. Voller Tatendrang wurde von der „Jugend“ auch schon los gebuddelt. Doch die „Alten“ sagten: „Halt, ohne Eigentum an Grund und Boden keinen Hüttenbau!“ Die stürmischen „Jungen“ konnten das überhaupt nicht verstehen, fügten sich aber. Wie weise diese Entscheidung war, sollte sich 30 Jahre später zeigen. Einmal im Baufieber gab man nicht auf und es konnte nun Richard Otto Müller, wohnhaft Lichtenhain Nr. 45, bewegt werden ein Stück Land an die Gipfelstürmer zu verkaufen. Es lag zwar tiefer und am Berghang aber mit Blick auf den Clubgipfel (Bloßstock). Am 30. August wurde ein Bauantrag mit Projekt (Reiner Ahlswede) eingereicht. Voller Zuversicht auf die Behörden hatte man schon vorher der Forstverwaltung Holz abgeschwatzt. Das dies gelang hatte seinen Grund: Es war „Für Forstarbeiter unzugängliches Wandholz“. Aber dafür war man ja Bergsteiger. So zog man schon am 30. Juni das erste Mal los, um im Hinteren Thorwald in den Wänden der Grohmannschlüchte Holz zu schlagen. Welche Mühen es bereitete die Stämme zu fällen und zu bergen kann man sich angesichts der Geländebeschaffenheit wohl vorstellen. Gerade als die letzten Stämme mit einem LKW „Garant“ zum Schneiden in die Saupsdorfer Rölligmühle gebracht worden waren, setzte Schneetreiben ein, denn es war inzwischen nun schon der 12. Dezember herangekommen. Als Gegenleistung für das mühevoll erworbene Holz wurde vom Club der Aufstieg zum Winterstein instand gesetzt.

Am 24. Juni 1960 erfolgte eine allgemeine Zustimmung des Referates Stadt- und Dorfplanung. Mit Schreiben vom 12. Juli bestätigte die Sektion Wandern und Bergsteigen, der BSG (Betriebssport-gemeinschaft) Sebnitz, dass von Seiten anderer Seilschaften keine weiteren Hüttenbauabsichten vorliegen. Die BSG erteilte nun ihrerseits die Genehmigung zum Bau einer Berghütte. Obwohl das noch keine Baugenehmigung im eigentlichen Sinne war, unternahm der Club am 28. Juli den ersten Spatenstich. Von nun an hieß es klettern und bauen. Im August wurden aus dem Kirnitzschtal die ersten Fuhren Baumaterial hinauf zur Baustelle geschafft. Unter anderem auch Granitsteine aus den „Granitsteinbrüchen Ruhebänke“ des Sebnitzer Bauunternehmens „Gebr. del Chin“. Zum Transport wurde ein Dreirad-Dumper verwendet, gesteuert von Meister Zitzmann. Auf Grund der schwachen Maschinenleistung mussten aber alle Mann mit ziehen und schieben, auch Pferde vom Bauer Günter Mildner aus Lichtenhain und Otto Bär aus Sebnitz kamen zum Einsatz. Die offizielle Baugenehmigung für eine „Touristenunterkunft“ durch den Rat des Kreises, Staatliche Bauaufsicht (Herr Riedrich) wurde erst am 28. September erteilt. Nun konnte das Fundament gelegt und der Keller errichtet werden. Mit welcher Entschlossenheit zu Werke gegangen wurde, sieht man daran, dass sich am 15.Oktober die Seilschaftsmitglieder die schriftliche Verpflichtung gaben, 300 Stunden und DM 400,- in zwei Raten, zu leisten. Am 15. Dezember wurde nun auch die Vereinbarung zum Grundstückskauf endlich schriftlich fixiert.

Im Spätherbst, die Kletterzeit war vorbei, hatte der Club mal eine „Loofe“ (Wanderung) gemacht und war am Ende in Schmilka in der „Hirschmühle“ eingekehrt. Es kreiste der „Stiefel“. Eine schöne Sache so ein Stiefel. Schließlich nahte die Zeit um mit der Fähre zum Bahnhof überzusetzen. Man zahlte und ging und der Stiefel ging mit. Die Fähre war gerade am Ablegen da kam der Kellner, laut „Diebe“ rufend heraus gerannt. Glücklicherweise ließ sich der Fährmann nicht davon abhalten überzusetzen. Das Geschrei und Winken mit dem Kellnertuch machte aber zwei Grenzer auf der anderen Seite aufmerksam. Die Hand an der „MPi“ erwarteten sie die Fähre. Was nun? Konrad und Rainer, die Stiefelfreunde, stürzten gleich auf die Grenzer zu: “Dort hinten, die ha´m een Stiefel in der Kneipe geklaut“. Die Observation der nachfolgenden Fährgäste ergab natürlich nichts. Endlich im Zug. Doch die Grenzer hatten noch nicht aufgegeben und waren auch in den Zug gestiegen, um alle noch mal genau zu kontrollieren. Jedoch wieder ohne Ergebnis, denn der Stiefel war, vor dem Einsteigen, schnell in einem Gerümpelhaufen am Bahnhof versteckt worden. Dummerweise hatte aber Konrad seinen, nur geborgten, Filzhut in der Schänke vergessen. Eine Woche später, in Begleitung von Klaus, ging er ihn holen. Das Theater war unbeschreiblich. Rainer derweil war mit seiner „BK“ noch mal zum Bahnhof gefahren und tatsächlich, der Stiefel war noch da. So steht er also heute noch, inzwischen mit dem Clubzeichen bemalt, auf seinem Ehrenplatz.

Im Januar 1961 gab es dann große Aufregung: Mit Schreiben vom 14. Januar erging durch die Staatliche Bauaufsicht ein Baustop. Die Bergfreunde erhoben Einspruch, Vorstand „Keule“ schrieb verärgert u.a.: „Mit dieser Maßnahme sind wir auf keinen Fall einverstanden … !“ Am 4. April wurde, unter Auflagen der Baustopp aufgehoben. Man hatte ohnehin weitergemacht und am 7. Februar im Sonnenhof, bei Walter Zimmer den Abbund fertig gestellt. Walter Zimmer stellte später noch weiteres, benötigtes Holz aus seinem Wald zur Verfügung. Er wurde zum Ehrenmitglied ernannt und der Club machte am 25. Juni einen Wegebaueinsatz auf seiner Grundstückszufahrt. Die zu meisternden Probleme waren mannigfaltig und viele kleine, heute gern erzählte Storys ranken sich um den Ereignisreichen Bau. So war z.B. für die talseitige Ecke eine Säule aus Sandsteinen zu mauern. Sie wurde wohl drei Mal abgerissen und neu gebaut, bis sie so war wie sie sein sollte. Die Bauherren waren Kinder ihrer Zeit und lösten die Aufgaben mit pfiffigen Mitteln ihrer Zeit. Dabei, ganz wichtig und heute fast undenkbar: Sie gingen trotzdem weiterhin klettern und schafften im Mai die erste große Bauetappe, das Hebefest. Das ganze Jahr war geprägt vom Klettern und Bauen und bauen und klettern. Am 2. Juni wurde endlich das Flurstück Nr. 683/2 ausgegliedert und am 7. August der Kaufvertrag bei Notar Eichler unterschrieben und vollzogen. Für den Club unterzeichneten: Alfred Willi Riffer und Klaus Max Pfenniger, außerdem wurden eingetragen Hugo Walter Knobloch und Günter Kluge. Der Kaufpreis wurde sofort bar bezahlt. Man legte für 6,90 ar, 200,- „Deutsche Mark der Deutschen Notenbank“ auf den Tisch. In der Seilschaftsversammlung am 17. Oktober 1961 wurde der Hüttenbau als prinzipiell abgeschlossen festgestellt, gleichzeitig aber eine lange Liste an Ausbau- und Restarbeiten aufgestellt. Auch diese wurden in unermüdlichem Einsatz gemeistert. Es entstand aber ein ganz anderes Problem. Die meisten der „Altmitglieder“ hatten sich weder am Bau beteiligt, noch gingen sie die anspruchsvollen Klettertouren mit. Am 20. März 1962 wurde nun in der Seilschaftsversammlung darüber diskutiert, ob man eventuell eine Neugründung durchführen sollte. Es wurde der Name „Goldsteiner“ vorgeschlagen. In einer Aussprache zwischen „Altvorstand“ Kurt Micklisch und „Jungvorstand“ Claus Hierlmeier wurde aber die Leistung der Jugend gewürdigt. Die vielen schweren Wege die unter „KC Bergfreunde“ in die Gipfelbücher eingetragen worden waren, machten auch die Alten stolz. Gar nicht zu reden von der außergewöhnlichen Leistung des Hüttenbaus. So kam man überein, dass der Name fortbestehen sollte. Am 9. Juni 1962 wurde nun eine fulminante Einweihung mit 2 Fass „Werni“ zelebriert und die Kletterclub-Hütte des KC Bergfreunde Sebnitz „Bloßstockblick“ getauft. Der Stolz war groß. Welcher Club konnte sonst noch eine selbst gebaute Hütte dieses Formates aufweisen? Im großen Stil, mit Gästen, Ansprachen, selbst gedichteten Liedern, gutem Essen und natürlich „Wernesgrüner“ (man hatte zum Glück gute Beziehungen zum „Deutschen Haus“ in Sebnitz, der einzigen Quelle weit und breit wo dieser edle Saft sprudelte), wurde dann am 17. November das erste Stiftungsfest in der eigenen Hütte gefeiert. Mitglieder des Trachtenvereins „Berchtesgadner Land“ Leipzig, die als erste hier ein paar Tage Urlaub gemacht hatten, stifteten voll Dankbarkeit eine Garnitur Humpen mit Zinndeckel.

1963 ging man daran, das mit Glasflies gedeckte Dach mit gebrauchten Schiefern einzudecken, Dachrinnen und einen Blitzableiter anzubringen sowie einen Elektroanschluss über den Steilhang hinauf, herzustellen. Wie schon erwähnt, es wurde trotz Hüttenbau auch weiter geklettert. Mit welcher Intensität, zeigt diese kleine Statistik des Jahres: An 73 Gipfeln wurden 126 Wege geklettert, davon 63 im VIIer Bereich und zwei Erstbegehungen: 22. Juni Kleine Brandscheibe, Westkante VIIa, Konrad Riffer, Klaus Pfenniger; 2. Juli Kleinstein, Südostweg VIIb, Walter Kirschner, Peter Knoden, Konrad Riffer. Von jedem Gipfel erschallte dabei immer ein Lied ins Gewänd. Da fast alle Clubmitglieder auch Mitglieder im Bergsteigerchor Sebnitz waren, erklangen die Lieder sogar oft im mehrstimmigen Satz. Am 11. Juni konnten endlich die Clubabzeichen in der Gravierwerkstatt Wilhelm Walther in Dresden abgeholt werden. Clubabzeichen waren oft ein Symbol der „Vereinsmeierei“, bis hin zur Feindschaft der Seilschaften untereinander. Weitsichtige Bergfreunde verfassten daher seinerzeit extra Lieder um dieser Engstirnigkeit zu begegnen, z.B.: “Bergfreunde, Bestürmer der Felsen, reicht euch die Bruderhand …“. Der KC Bergfreunde bemühte sich gern um freundschaftliche Kontakte und hat z.B. mit den „Kampftürmern“ so etliche schöne, gemeinsamen Abend verbracht. Auch hat so mancher Club sein Stiftungsfest in der Bergfreunde-Hütte gefeiert.

Bergsteiger sind gern zu kleinen Streichen aufgelegt. So kam man mal müde und hungrig vom Klettern zurück und wollte sich im „Beuthenfall“ stärken. Es war aber kein hinein kommen. Als man dann unzufrieden weiter zum Beuthenbach aufstieg, kam man in Traufenhöhe am qualmenden Schornstein vorbei. Das brachte Konrad auf die Idee, auf selbigen einen herumliegenden Schiefer zu legen. Der Qualm war nun in Küche und Gaststube. Wieder unten angelangt boten Konrad und Keule der kopflosen Wirtin an, diesen Umstand zu untersuchen und abzuhelfen. So wurde doch noch ein guter Happen Goulasch gesichert. Leider gibt es diese so beliebte Gaststätte schon lange nicht mehr. Es gibt aber noch Reliquien davon, denn nach der Schließung konnten Frau Richter etliche der blauen Stühle abgehandelt werden, die noch heute in der Hütte im Gebrauch sind.

Um an Seile und Karabiner zu kommen mussten die Seilschaften an den Sektionsversammlungen teilnehmen und Arbeitsaufgaben erledigen. So übernahm einmal der Club die Aufgabe, auf dem Kleinen Jortanshorn eine neue Gipfelbuchstütze zu setzen. Am 22. Juni 1975 bestieg man nun den Gipfel auf verschiedenen Wegen. U.a. auch auf dem NO-Weg, weil ein schwerer Rucksack mit musste. Es war ein gutes Stück von Alfred, eine sogenannte „Beere“, gefüllt mit Zement, Sand, Wasser, Kronbohrer, Hammer usw. Der Aufstieg erwies sich als unangenehme Kaminkletterei und der unförmige Rucksack klemmte sich etliche Male fest und schabte bedenklich. Bei jedem Manöver den Rucksack frei zu zerren, stöhnte Alfred auf und wetterte ob der Schändung seiner Beere. Auf dem Gipfel angelangt, wurde nun mit Fleiß und Müh´ die Stütze gesetzt. In der verdienten Pause rief plötzlich „Turm“: „Heh Leute, guckt mal hier“. Oh, auf der anderen Seite, etwas tiefer, glänzte eine nagelneue Stütze, mit Buch. So ein Mist, wie kommt denn das? Na egal, also Stütze wieder raus, Loch zu und Abstieg. Beim Abstieg bekam dann Alfreds Beere den Rest. Ein blöder Tag.

Manchmal ist es kurios: Viele quälen sich in der Silvesternacht mit steifen Fingern auf eisige Gipfel, um eine Jahreserste zu erringen. 1976 konnte der Club gleich drei Jahreserste machen und das bei schönster Sonne und warmen Fels denn es war bereits der 9. Mai. Es waren der Zeichengrundturm, die Zeichengrundnadel und der Christelschluchturm (für diesen Gipfel musste allerdings die tschechische Grenze illegal überschritten werden). Am 20. Juni dann hatte Rainer Franke an der Scheibe am Tellerhörnel eine weitere Jahreserste, die gleich noch eine Erstbegehung wurde, Schwierigkeit 2/II. Der Abstieg vom Massiv zum Sprung war wegen der fehlenden Sicherung wohl der schwierigste Teil dabei.

Am 14. Mai 1978 hatte der Club sich den „Backofen“ in den Thorwalder Wänden zum Ziel genommen. Von der Neumannmühle marschierte man einmütig zum Zeughaus. Dort begannen die Meinungsverschiedenheiten. Keule korrigierte die eingeschlagene Richtung: “Jetzt müss´mer hier lang!“. Ach so? An der nächsten Gabelung dasselbe Spiel: “Hier lang“, „Denkste wirklich?“, „Kannste glooben“. An der dritten Gabelung herrschte wieder Uneinigkeit und der Kletterführer wurde aufgeschlagen: “Wir müssten jetzt hier lang“, jedoch Keule: „Wir sind immer hier gegangen!“ „Na wenn´de meinst“. Jetzt war man vom Zeughaus weg, etwa eine ¾ Stunde marschiert. Nach weiteren 5 Minuten: Da, ein Wegweiser: “Zeughaus ¼ Std.“, hmm. „Keule, du gehst jetzt hinten, wir machen hier links hoch!“ Es wurde noch ein schöner Klettertag.

Was in der Hütte fehlt, ist Wasser. Erhard Riffer hatte mal mit seiner Wünschelrute eine Begehung gemacht und eine Wasserader in der Nähe geortet. Jedoch bei der Frage „Wie tief?“, zuckte er mit den Schultern. So holte man das Wasser also weiterhin lieber aus der Haidemühle oder Richters Born, in einem 25Liter-Kanister auf der Kraxe. Natürlich ging es immer darum, wer geht. Einer glaubte mal er könne es sich leichter machen wenn er den Kanister nur halb voll macht. Das schwappende Wasser hätte ihn aber bald den Hang hinunter geschubst. 1980 entschloss man sich dann, einen Brunnen am Beuthenbach zu bauen. Der anstehende Fels musste mit Hammer und Meißel per Hand abgeteuft werden und wie in alten Zeiten kamen zwei 1 PS-Hafermotoren zum Einsatz um die Brunnenringe und den Kies zu transportieren. Eine mühevolle aber erfolgreiche Arbeit. Im Jahr 1984 wollte man ursprünglich noch einen kleinen Raum für die Rucksäcke schaffen und versah das offene Schleppdach, an der Seite der Hütte, mit Wänden. Der so entstandene Raum wurde dann so schön, dass 1985 ein Kamin eingebaut wurde. Dieses Kaminzimmer wurde dann sogar zum „Musiksaloon“. „Turm“ hatte irgendwo ein Harmonium aufgegabelt und instand gesetzt. Eines schönen Tages, unglaublich aber wahr, erschien er mit seinem Trabbi vor der Hütte und hatte dieses Monstrum auf dem Dach. So hatte man eine Berghütte mit eigener Orgel. Leider hat das einmalige Instrument inzwischen das Zeitliche gesegnet.

Traditionell waren Klettern und Kletterclubs in der Regel reine Männersache. Prinzipiell war es im KCB ähnlich, aber die meisten Mitglieder hatte im Laufe der Zeit geheiratet und Kinder. So kam es, dass Mitte der 70er bis Mitte 80er Jahre viele Kletterfahrten des Clubs regelrechte Familienausflüge wurden und auch Kinderlachen oft an der Clubhütte zu hören war.

Neben dem Klettern in der heimatlichen „Schweiz“ wurden auch viele Bergfahrten in die Böhmische Schweiz, Tatra und andere, zu DDR-Zeiten erreichbare Gebirge unternommen. Ein Höhepunkt war zweifellos die Teilnahme an der Alpinade im Rilagebirge in Bulgarien: 1986 weilte der Bergsteigerchor Sebnitz, auf Einladung des Veteranentouristenchores Samokov in Bulgarien. Von Borovec aus wurden Touren ins Rilagebirge unternommen. Dabei gab es auch zwei „scharfe“ Touren, die durch unsere Clubmitglieder gemeistert wurden: Eleni Südwand 2.654m (UIAA-IV) Rainer Franke/Wolf Jezewski und Maljovica Nordwand 2.730m (UIAA-V+) Konrad Riffer/Claus Hierlmeier. Beeindruckt waren die Bulgaren vom sächsischen Kletterstil: Ohne künstliche Hilfsmittel. Insbesondere als der bulgarische Alpinist, der die Nordwand vorsteigen sollte, trotz Einsatz künstlicher Hilfsmittel diese nicht meisterte und Konrad und Keule schließlich an ihm vorbei zum Gipfel stiegen, natürlich „ohne“. Der begeisterte bulgarische Bergsteigerchef, Wassili Chechtov, sprach der Truppe sofort eine Einladung zur jährlichen Internationalen Alpinade am „Strasno Ezero“ (Schreckensee) aus. Anfang August 1988 kam man dieser Einladung nach und reiste zu viert (Konrad Riffer, Claus Hierlmeier, Rainer Franke und Jens Röntsch, anstelle von Gotthard Geisler) mit dem Zug nach Bulgarien. Die Zugfahrt war ein Erlebnis der besonderen Art. Unterwegs sprach man auch ordentlich dem Knoblauch zu, so dass selbst die Bulgaren im Abteil das Weite suchten. So war mehr Platz zum Doppelkopf spielen. Das Quartier in Borovec war bulgarisch-alpin und im Bus zum Maljovica-Komplex herrschte drückende Enge und extrem dicke Luft. Eine Wohltat, wenn auch anstrengend, war dann der Marsch zum Schreckensee. Ein idyllisches Plätzchen: Ein kristallklarer, spiegelglatter See, in dem sich drei gewaltige Zacken spiegelten. Der erste Tag war Einweisung, Erkundung und Warmmachen. In der klaren Luft und den ungewohnten Dimensionen der Berge, verschätzte man sich leicht was Entfernungen und Höhen betrafen. Abends dann gemütliches Lagerfeuer mit Gesang und „Raclette“. Dazu hatte man eine riesige Schieferplatte auf drei Steine gelegt und darunter ein Feuer gemacht. Ordentlich mit Speck eingerieben, wurde dann alles Verfügbare auf dieser heißen Platte geschmurgelt. Ein Hochgenuss voller Romantik. Am nächsten Morgen ging es dann zur Sache. Die Seilschaften konnten sich ihre Routen selbst aussuchen. Man nahm sich erstmal die „Spitze am Kleinen Kupen“ vor, Wandhöhe ca. 170m, Gipfelhöhe 2.680m, Schwierigkeit nach UIAA, IV. Interessanterweise konnte man in der Wand hin und wieder Holzkeile, die wohl mal zur Sicherung dienten, sehen. Es ging recht gut und man stieg frohgemut ab. Auf dem Rückweg zum See, konnte man über dem gerade verlassenen Lageplatz eine Steinlawine niedergehen sehen. Das war man in der heimatlichen „Schweiz“ nicht gewohnt. Am nächsten Tag ging es zum „Großen Winkel“ am „Mittleren Kupen“, Wandhöhe ca. 200m, Gipfelhöhe 2.704m, Schwierigkeit IV+. Es wurden zwei Seilschaften gebildet um schneller zu sein: Jens/Rainer und Konrad/Keule. Auch das ging recht gut, jedoch Konrad hatte Schwierigkeiten mit der Luft. Jens und Rainer nahmen sich dann noch die berühmte „Witoscha-Route“ vor. Wandhöhe ca. 250m, Schwierigkeit V+, z.T. ausgesetzt und mit „künstlichen“ Stellen. Diese konnten aber „ohne“ überklettert werden (zwangsweise, denn man hatte ja gar nichts mit). Geschätzte Schwierigkeit, nach sächsischer Preisliste, wenigstens VIIc. Die fast durchgängige Schwierigkeit war etwa VIIa. Abends am Lagerfeuer dann die Auswertung. In Punkto „Kletterzeit“ konnte man nicht punkten, wohl aber was den Kletterstil anbelangte, denn das Klettern ohne Hilfsmittel war dort noch nicht so verbreitet und erregte z.T. Staunen und Neugier. Man hatte daher auch mit Sorge durch das Fernrohr gesehen, wie Jens und Rainer in die „Witoscha Route“ einstiegen, ohne vorher „Material zu fassen“. Denn zuvor hatte nur eine der Seilschaften die Route „frei“ bezwungen. Mit Freude konnte daher aus der Hand von Wassili Schechtov der Wimpel der Drittplazierten von 16 teilnehmenden Mannschaften entgegengenommen werden. Im Herbst dann eine sehr traurige Angelegenheit: Konrad hatte vor der Fahrt nach Bulgarien Atembeschwerden. Der Arzt diagnostizierte entzündete Bronchien. Da ist Höhenluft ja genau das Richtige, dachten alle. Es war aber Asbestose denn Konrad war Dachdecker gewesen. Am 19. Oktober des Jahres trugen wir ihn in Hohnstein zu Grabe. Es war ein schlimmer Tag.

Im Juli 1989 erfolgte, im Rahmen eines Deutschlandbesuches, ein kurzer Gegenbesuch der bulgarischen Kletterriege unter Leitung von Wassili Schechtov, um auch mal hier zu klettern. Quartier bot praktischerweise die Clubhütte. Da ja nun bekannt war, dass die Jungs nichts vom sächsischen Klettern wussten, ging man kein Risiko ein und nahm niedrige Gipfel, nicht so weit weg. Ideal von der Hütte aus: Brosinnadel und Co. Zunächst fanden die Bulgaren die sächsischen Felsen niedlich und belächelten sie etwas. Das änderte sich ganz schnell, als am Amboß in die „Lange Kante“ und in „Schmied und Geselle“ eingestiegen wurde (beide VIIb). Am liebsten hätten sie Haken eingeschlagen. Nach langem stehen und probieren vor den Schlüsselstellen, haben sie es, mit etwas straffem Seil dann geschafft und standen strahlend und nachdenklich auf dem Gipfel. Dann ging es noch zu Brosinnadel und Flachsköpfe. Zurück in der Hütte gab es natürlich einen zünftigen Hüttenabend.

Die Hütte erlebte überhaupt so manchen schönen Abend in geselliger Runde. Man musste nur einen Grund finden. Besonders erbaulich und beliebt waren die Liederabende. Der Club hatte ja den Vorteil vieler sangesbegeisterter Mitglieder und Konrad sowie Keule spielten Akkordeon und Rainer Gitarre. Etliche Male waren zu solchen Abenden auch bekannte Leute wie Bernd Arnold, Karl Däweritz, Klaus Schäfer, Lutz Protze u.v.a. mit von der Partie. Einmal, am Sonnabend vor Totensonntag, waren auch „Pfeng“ und „Pudding“ mit da. Sie wollten aber zum Schlafen in die Laube nach Lichtenhain, wo sie herzugs schon mal den Wecker gestellt hatten, um in der Früh nicht den Abmarsch zur „Hohen Liebe“ zu verschlafen. Sie haben es dann doch verschlafen, denn der Wecker hatte schon geklingelt bevor sie in der Laube zurück waren. Ein andermal hatte Schäps (Klaus Schäfer) zugesagt ein Fass auszugeben. Am 22. November 1986 hatte man sich gegen 19 Uhr frohgestimmt in der Hütte versammelt. Es wurde gesungen und vorerst machte sich niemand Gedanken darüber, das weder Schäps noch Bier anwesend waren. Langsam wurde der Durst jedoch quälend. Endlich gegen halb neun erschien der Langersehnte, jedoch ohne Bier. Auf den darauf folgenden Tumult sagte er stoisch:“Ich habe gesagt, das ich ein Fass ausgebe, aber nicht das ich eins mitbringe“. Auf diese Feinheit hatte niemand geachtet. Da man ja noch nichts getrunken hatte, wurde ins Tal gerannt und mit einem Auto ein Fass aus dem „Deutschen Haus“ in Sebnitz geholt. Der Anstich erfolgte mit heraushängender Zunge um 21:28 Uhr.

Diese Hütte ist wahrlich etwas Besonderes, schon allein, weil dieses Projekt in der heutigen Zeit völlig unmöglich wäre. Sie bringt natürlich nicht nur Annehmlichkeiten, sondern auch Arbeit, Kosten und Verpflichtungen mit sich. Aber, da sind sich alle Clubmitglieder einig, sie ist der ideale Treffpunkt und das Kernstück des Zusammenhaltes. Auch heute noch werden dort die Liederhefte aufgeschlagen und es erklingen Gitarre und Akkordeon.

Die neue Zeit veränderte vieles. manchem Bergfreund ließen die Arbeitsbedingungen immer weniger Zeit, mancher musste der Arbeit hinterher in die Ferne ziehen. Klettern fand eher sporadisch statt. Der Club musste sich nun als „e.V.“ eintragen lassen um die Hütte zu sichern. Hier zeigte sich jetzt die Weisheit der damaligen Entscheidung: Nach „Neudeutschem Recht“ wäre die Hütte, ohne Grundeigentum verloren gewesen. Natürlich sind mit der deutschen Einheit vor allem auch ungeahnte Möglichkeiten gekommen. Träume wurden war und neue entstanden. So sind z.B. Club-Skitouren nach Österreich und manches mehr möglich geworden. Wer hätte damals gedacht, das einmal Clubmitglieder in den Alpen auf dem Montblanc 4807m, Breithorn 4164m, Weißhorn 4505m, Alalinhorn 4027m usw. stehen oder den Mount Meru 4562m und den Kilimanjaro (Uhuru Peak) 5895m ersteigen oder gar vom Kala Patthar 5595m, auf den Gipfel des Mount Everest hinüber blicken werden? In der Jahreshauptversammlung am 9. April 2005 gab es dann einen wichtigen Generationswechsel. Nach fast fünfzigjähriger Vorstandsschaft wollte „Keule“, das die „Jugend“ übernimmt. Einstimmig wurde Uwe Walter aus Hohnstein, der sich schon vielfach als Meisterkoch in der Hütte und Motor des Clublebens gezeigt hatte, gewählt. Erfreulicherweise ist auch eine neue Generation nachgewachsen, die mit Elan auf der oberen Skala klettert und neben tollen Wiederholungen auch Erstbegehungen vollbringt:

Der Kletterclub Bergfreunde Sebnitz kann somit guten Mutes der Zukunft entgegenblicken und seine Mitglieder sich sicherlich noch lange in die Gipfelbücher der heimatlichen Felsen eintragen und auch, wie sächsische Bergsteiger es seit je her getan haben, in den Bergen der Welt umsehen.

Rainer Franke, Januar 2008